Hamburger Schule – Grundprinzipien japanischer Fesselei/Shibari
1. Vor Beginn jeder Fesselsession muss es ein informiertes Einverständnis
geben – dazu gehört besonders mit unerfahrenen Fesselpartner:innen,
dass über mögliche Risiken beim Fesseln aufgeklärt wurde.
Außerdem müssen gesundheitliche und emotionale Einschränkungen
geklärt sein.
2. Fesseln kann für jeden etwas anderes bedeuten, daher sollten
sich beide Partner:innen gegenseitig über ihre Vorstellungen und
Wünsche zu der geplanten Session mitteilen.
3. Bevor man miteinander zu fesseln beginnt, sollte man sich innerlich
einstimmen und erstmal für sich und dann zusammen klären,
wo die Reise hingehen soll.
4. Dein Fesselpartner ist kein Opfer, sondern Dein Komplize. Und jeder
Körper ist anders.
5. Deine Fesselpartnerin ist dein bester Bondage-Lehrer, wenn sie dir
gute Rückmeldungen gibt.
6. Störungsmeldungen haben IMMER Vorrang - Störungen müssen
sofort behoben werden. (Es gilt die 3-er Regel: Modell muss sprechen
können und Störungen anzeigen, sobald sie auftreten (von kalten
Füßen, juckender Nase bis zu einschlafenden Händen),
Fessler muss sofort reagieren und Störung beheben. Außerdem
sollte er wissen, dass jemand beim Fesseln in den Subspace abtauchen
kann - dann sollte sie oder er nachfragen).
7. Abfesseln ist Teil der Bondage-Session und nicht das Ende. Nach dem
Abfesseln kommt die Aftercare – am besten man entwickelt ein gemeinsames
Ritual um wieder zurück in den Alltags-Modus zu finden, ob nun
mit Reden, Zärtlichkeiten, Halten ist egal.
8. Für den Notfall: Sicherheitsschere oder anderes Schneidwerkzeug
(ohne scharfe Spitze) bereit haben. Niemals beim zu zweit fesseln, das
Hängeseil durchschneiden, denn im Allgemeinen kann man seinen Partner
nicht mit einem Arm halten.
9. Sauber strukturiertes Fesseln erleichtert im Notfall das Abfesseln.
10. Hände bzw. Handgelenke lieber zu locker, als zu fest fesseln.
Und darauf achten, dass diese Fesselung (Notausgang) jederzeit zu öffnen
ist, denn am ehesten zicken die Hände.
11. Nach dem Basisknoten/Basiswicklung an den Handgelenken (einzelne
Hand/beide Hände) geht das Seil immer in die Richtung weiter, in
die das lange Ende zeigt. Das gilt auch für andere Stellen, bei
dem die Basiswicklung eingesetzt wird.
12. Beim Fesseln gilt grundsätzlich das Prinzip von Zug und Gegenzug.
13. Das Doppelseil darf nie verdreht auf dem Körper liegen, parallele
Seillagen sollten auch parallel liegen.
14. Trifft das Seil bei der Führung auf ein schon gewickeltes Seil,
geht der Weg unterhalb dieses Seils weiter - Prinzip: Seil soll immer
so dicht wie möglich am Körper entlang laufen.
15. Den Oberkörper möglichst fest fesseln, dabei darauf achten,
dass die Lagen unterhalb der Brust (bei Männern unterhalb der Brustwarze)
lockerer oder höchstens gleich fest sind, als die oberhalb.
16. Bei Oberkörperfesselungen über die Arme soll die obere
Seillage am besten zwischen Schultermuskel und Oberarmmuskeln laufen
- das ist etwa auf Höhe der Achselhöhle. Bei manchen Fesselpartnern
ist die ideale Stelle ein bisschen höher, selten tiefer.
17. Seil welches auf anderes Seil trifft, sollte wenn es geht, dort
geblockt werden und nicht einfach nur darunter her laufen.
18. Sicherungsseile sichern nur die Lagen des Seils am Körper und
sollten eher locker liegen.
19. Beim Abfesseln einer länger gehaltenen Position (Arme im Nacken
oder Arme auf dem Rücken), die Arme langsam zurück bewegen
lassen – nicht als Fessler selbst bewegen.
20. Bei Suspensions ist der Test, ob mit dem Radialis-Nerv alles ok
ist, alle etwa zwei Minuten aktives Durchstrecken des Daumens, des Zeige-
und des Mittelfingers – wenn sie nicht mehr in die Überstreckung
gehen können, sofort Hände lösen und dann runter zum
Boden.
21. Beim Verschieben des Seils am Körper/auf der Haut gilt - mit
dem Finger unter die Seillagen gehen, Seil vom Körper abziehen
und den Finger von vorne nach hinten bewegen um das Seil mehr nach oben
oder unten zu verschieben. Mit der freien Hand gegenhalten, damit man
seinen Partner nicht umreißt.
22. Als Haupthänge-Seil am besten europäisches Iso-Norm-Seil
oder noch stärkeres (Poly-Hanf etc.) verwenden und das auch nur,
wenn es absolut tadellos ist. Bekannte und erprobte Hängepunkte
prüfen, ob sie weiterhin stabil sind. Unbekannte Hängepunkte
sollte man meiden.
23. Nur aufgeräumtes und sortiertes Seil ist sofort einsetzbar.
24. Oft ist nicht das Seil zu kurz, sondern zu locker!
25. Seil regelmäßig überprüfen, ob es zu Einrissen
oder anderen Fehlern im Seil gekommen ist. Wenn ja, taugt es fürs
Bett, aber nicht mehr für Hänge-Bondages.
26. Egal bei welchem Fesselmeister oder bei welcher Schule man gelernt
hat, die Befindlichkeit des Fesselpartners kommt an erster Stelle und
zur Not muss man die Fesselung eben anpassen.
27. Klarheit ist beim Fesseln hilfreich: Entweder Übungssession,
Fotosession oder Spielsession. Für Lernende gerade am Anfang wichtig:
Unterschiedliche Termine für Übung und Spiel mit dem Partner
machen.
28. Falls etwas danebengegangen ist, möglichst schnell miteinander
klären, was es war und wie man das beim nächsten Mal vermeiden
kann.
29. Übrigens - der japanische Fesselmeister Yukimura Haruki sagt:
Hängebondage ist für die Bühne und für Angeber.
Ich sage, natürlich ist das intensive Körpererlebnis beim
Hängen verständlicherweise sehr spannend, aber Nähe und
Kontakt zueinander erreicht man besser beim Fesseln am Boden.
30. Gilt nicht nur für Bondage-Sessions: Nur wenn sich beide Partner:innen
hinterher besser, schöner, zufriedener, schöner und geliebter
(bzw. gemochter) fühlen, ist es eine gute Session. Wenn einer sich
hinterher komisch, schlecht, herabgewürdigt, verachtet, traurig
fühlt, muss geredet werden.
Copyright 2018/21 by Matthias T. J. Grimme und www.bondageproject.com
Eine nützliche
Vorbereitung für die- bzw. denjenigen die bzw. der sich
fesseln läßt, und natürlich auch für jeden Fessler:
Clover von Kinkyclover
hat eine sehr gute Info-Broschüre (PDF
zum Download) für Bondage-Modelle und ihre Partner
zusammengestellt.