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Emotionales, Medizinisches |
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3.1 Medizinisches
Neu: Rope-Drunkenness
und Subspace: Hormone beim Bondage
Hormone sind nicht nur ein Teil unserer körperlichen Funktionen
und Gesundheit, sondern auch eng mit unserem emotionalen Wohlbefinden
verbunden. Sie sind Teil des körperlichen Kommunikationssystems und
an vielen Vorgängen beteiligt. Die Erfahrung von positiven Emotionen,
Gefühlen und Affekten ist grundlegender Baustein für die Entwicklung
von Resilienz, Wohlbefinden, Vitalität, Glück und Lebenszufriedenheit
(Alexander, et al., 2021). Auf neurochemischer Ebene sind Neurotransmitter,
Neuropeptide und Hormone an Gefühlen von Vergnügen, Belohnung
und anderen positiven Emotionen beteiligt. Nehmt euch also ’nen
Tee, wir reden über Cortisol und Adrenalin, über Dopamin, über
Oxytocin, Serotonin und Endorphine.
Bondage (Rope Bondage, Shibari, Japan Bondage, …) ist eine Spielart
des BDSM. Dies bedeutet nicht zwingend, dass im Bondage – wie dies
auch in anderen Ausprägungen im BDSM zutrifft – die Komponente
des Schmerzes ausschlaggebend ist. Es kann auch mit anderen Gefühlsräumen
gespielt werden. Manchmal braucht es die Enge, das Gehalten sein in der
Bodenarbeit, oder das an die Grenzen gehen im Edge Play (zum Beispiel
in Suspensions, die in sich immer ein Edge Play darstellen). Man kann
sadistisch/masochistisch spielen, muss es aber nicht. Dass Bondage positive
Gefühle auslöst, wenn es haltend, einengend, begrenzend ist,
liegt auf der Hand. Dass diese Gefühle auch im Nachgang zu Schmerzempfindungen
hormonell ausgelöst werden können, hat die Forschung einige
Zeit in Erstaunen versetzt. Dass scharfes Essen als Schmerzreiz Glücksgefühle
machen kann und Schärfe durchaus Liebhaber hat, scheint in der allgemeinen
Betrachtung aber kein Problem zu sein, die Problematik ist sehr einseitig
„seltsam“.
BDSM ist auch eine Form von Körperarbeit. Die hormonelle Kaskade
ist im Bondage übrigens ähnlich wie beim Sex und bei Geburten.
(Sturmwolkenblau, 2025) Hormonell sind beide auch ähnlich paradox:
In gewisser Weise repräsentiert es die Auseinandersetzung mit entgegengesetzten
Gefühlen und Bedürfnissen. Das Aushalten von Schmerz, das sich
Hineinfühlen und Mitgehen mit diesem Schmerz wird belohnt durch Glücksgefühle.
Starten wir mit einen too long, didn’t read. Körperliche Restriktion
und Schmerzen lösen im Körper eine Reaktion des sympathischen
Systems aus: Fight or Flight. Dabei werden Adrenalin und Katecholamine
ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass der Puls steigt, die Atemfrequenz
schneller wird und sich die Versorgung mit Sauerstoff verbessert. Weil
die Nebennierenrinde und die Hirnregionen, die für diese Stresshormone
zuständig sind (sie schaffen quasi die Voraussetzungen für die
rasche Bereitstellung von Energiereserven, die in gefährlichen Situationen
das Überleben sichern sollen), sowieso schon aktiv sind und neben
den Stresshormonen auch andere Botenstoffe produzieren, werden beinahe
gleichzeitig auch andere Botenstoffe ins Rennen geschickt: Endorphine
als körpereigene Schmerzmittel, die die Toleranzschwelle für
Schmerzreize erhöhen (wenn man fliehen muss, hat das Gehirn gerade
keine Zeit für die Einordnung von Reizen, es kommen also nur die
stärksten Reize in der Verarbeitung an), Endo-Cannabinoide, die das
Belohnungssystem und das Lustsystem im Hirn ansprechen, Dopamin für
den Energiekick und das Belohnungssystem (wenn man die Situation gemeistert
hat) und Oxytocin, das mit den Endorphinen gemeinsam als Hormon ausgeschüttet
wird und dafür sorgt, dass die Schmerztoleranz besser wird, die Sauerstoffversorgung
in der Muskulatur steigt, das emotionale Gedächtnis triggert und
für ein Gefühl von Bindung und Belohnung sorgt, wenn die Situation
überstanden ist. Serotonin folgt dann später als langanhaltendes
Gefühl von Entspannung. Der schnelle Abfall der Hormonkonzentrationen
im Nachgang einer Session führt möglicherweise zu einem Drop.
Diese Effekte sind bei Suspensions deutlich stärker als beim Floorwork.
Und wer jetzt Lust hat, sich oberflächlich reinzunerden: los geht’s.
Schmerz und Vergnügen sind im Gehirn eng miteinander verwoben. Mit
beidem im Seil zu spielen, kann den Verlauf einer Session durchaus interessant
werden lassen: Schmerzsysteme aktivieren Belohnungsschaltkreise (Becerra,
Breiter, Wise, Gonzales, & Borsook, 2001), wodurch wir wahrscheinlich
stärker auf Belohnungen reagieren, was bedeutet, dass sich eine Liebkosung
nach einem sehr schmerzhaften Abschnitt besonders schön und intensiv
anfühlen kann. (Vane, 2017) Es gibt Hinweise auf Cortisolveränderungen
bei devoten/submissiven Personen als Folge einer BDSM-Interaktion, was
auf eine Beteiligung des physiologischen Stresssystems hindeutet. Endocannabinoid-Veränderungen
deuten gleichzeitig auf das Lust- und Belohnungssystem hin (Wuyts &
Morrens, 2022). Bei dominanten Personen scheint dieses biologisch gemessene
Vergnügen übrigens eher vom Machtspiel als vom Schmerzspiel
abhängig zu sein. Untersuchungen der Aktivitätsmuster von Hirnregionen
im Spiel deuten auf eine Rolle des Lust- und Belohnungssystems bei der
Schmerzwahrnehmung und eine Rolle empathiebezogener Schaltkreise im Zusammenhang
mit sozialen und sexuellen Interaktionen hin (Wuyts & Morrens, 2022).
Timing ist im Spiel mit dem Seil (und sicher im Spiel allgemein) von immenser
Bedeutung. Das Gehirn arbeitet einem Orchester ähnlich und jede Stimme
(jedes Hormon) hat seinen Beitrag zum Gesamtkunstwerk. Das bedeutet, dass
sich das biochemische Konzert entfalten muss, Überhänge haben
kann, da ein Crescendo oder ein Diminuendo Platz findet. Die körperliche
Reaktion ist nicht einer Gleichzeitigkeit mit der Handlung unterlegen.
Als Rope-Top ist es deshalb sinnvoll, zu warten, bis das Seil seine „Wirkung
entfaltet“, der gebundene Körper die Zeit bekommt, zu reagieren
(Vane, 2017). Es geht um die Zeit, die die Hormone brauchen, ihre Stimme
im Orchester einzubringen. Die Vorfreude auf das Gefühl von Seil
auf der Haut, die Erregung, die damit einhergeht, ist der erste Akkord.
Viel Arbeitsspeicher im Gehirn ist sozialen Interaktionen gewidmet. Die
Verbundenheit im Seil zeigt sich auch neurochemisch. Einige Hirnregionen
scheinen sowohl für die Bewertung eigener Gefühle als auch für
die Einordnung der Gefühle anderer Personen (der Partnerperson im
weitesten Sinne im Seil) eine Rolle zu spielen (Lee & Siegle, 2012).
Wir fühlen die andere Person. Dieses Fühlen ist losgelöst
von der kognitiven Ebene des Bondage und macht möglich, dass wir
uns in der Interaktion glücklich fühlen können. Es ist
auch biochemisch ein Geben und Nehmen in beide Richtungen.
Wenn wir über Subspace oder Trancezustände sprechen, kann dieser
Zustand schmerzinduziert zuerst durch Endorphine und Adrenalin getragen
sein. Die Wirkung der Endorphine macht seinerseits dann die Ausschüttung
von Oxytocin, Serotonin und Dopamin möglich. Endorphine können
als körpereigene Opioide (körpereigene Schmerzmittel) fungieren,
was zu einer verstärkten Ausschüttung von Dopamin in den synaptischen
Spalt führt. Dieser Prozess spielt eine wichtige Rolle bei der Schmerzmodulation
und dem Gefühl von Wohlbefinden. Der genaue Wirkmechanismus der Endorphine
ist aber immer noch nicht in allen Details geklärt (Pilozzi, Carro,
& Huang, 2021). Dem Neurotransmitter Dopamin wurde im Zusammenhang
mit positiven Emotionen bei weitem die größte Aufmerksamkeit
in der Forschung zuteil. In diesem Zusammenhang sprechen wir vielfach
von Belohnung, zum Beispiel in Form von (1) Reaktionen des „Gefallens“,
die sich in der hedonistischen Erfahrung des Vergnügens niederschlagen,
(2) „Wollen“ oder Motivation zur Suche nach Belohnung, und
(3) belohnungsbasiertes Lernen (Alexander, et al., 2021). Was uns Freude
bereitet, erleichtert das Lernen. Was uns Freude bereitet, wollen wir
häufiger und mehr. Bildgebende Studien am Menschen zeigen, dass das
dopaminbildende System im Gehirn (wer es genau wissen will: im mesokortikolimbischen
System, populärwissenschaftlich: „Belohnungssystem“)
an der Entscheidungsfindung beteiligt ist, z. B. bei schmackhaftem Essen,
Sex, Drogen, sowie anderen Belohnungen oder Belohnungsvorhersagen (Baliki,
et al., 2013). Dopaminschwellen werden durch Drogen übrigens „verstellt“
und das Suchtverhalten darüber ausgelöst, immer wieder zur Entspannung
den nächsten Kick bekommen zu wollen bzw. zu müssen. Der Körper
unterscheidet hier auch nicht zwischen legalen und illegalen Drogen. Die
Befriedigung ist hormonell aber nach Sex langanhaltender als nach einer
Zigarette.
Kurz: wenn es sich gut anfühlt, belohnt sich der Körper selbst
und will mehr. Das muss nicht immer vernünftig sein. Die Schleife
zwischen Vernunft und Gefühl ist auch hirnphysiologisch nicht immer
vorgesehen.
BDSM-Interaktionen sind biochemisch komplex und obwohl die Forschungsergebnisse
begrenzt sind, gibt es immer mehr Hinweise auf eine Interaktion zwischen
mehreren biochemischen Systemen im Körper, die für diese Form
des Lustempfindens eine Rolle spielen. Sexuelle Stimulation führt
im Gehirn auch dazu, dass eine Menge Vorgänge, die für die Handlungskontrolle
zuständig sind, quasi ausgeschaltet werden (Georgiasdis, 2012). Sexuelle
Erregung interagiert mit anderen Mechanismen für Genuss. Sexuelle
Erregung kann also auch dafür genutzt werden, andere Hirnfunktionen
auszutricksen. Abneigung wird vom Hirn unter sexueller Erregung langsamer
verarbeitet, es erhöht also die Toleranzschwelle für unliebsame
Situationen (Vane, 2017). Speichelfluss mit Knebel ist unter sexueller
Erregung zum Beispiel etwas völlig anderes als ohne. Erniedrigende
Worte, die uns mit klarem Verstand und im Alltag (zu Recht) nicht gefallen
würden, sind im Spiel plötzlich okay, weil sie erotisiert und
mit Intimität und einer sexuellen Bedeutung aufgeladen sind.
Im Bondage geht es aber nicht nur um Dopaminkicks, sondern auch um das
Gefühl von Space, um die Interaktion mit dem Gegenüber –
oder Gegenunter, je nach Perspektive. Die Hormone, die wir im Folgenden
betrachten, finden sich an vielen Stellen des Lebens wieder: bei jeder
Form der körperlichen Nähe, beim Sex, bei Anstrengung, bei Schmerz,
beim Sport, bei gutem Essen, bei allem, was uns glücklich macht…
Spannend hierbei ist, dass dieser Hormoncocktail in vielen Lebensbereichen
ähnlich ist. Ein fundamentales Bedürfnis ist hierbei das Gefühl,
in Sicherheit zu sein. Negativer Stress blockiert die hormonellen Kaskaden,
die sich uns gut und befriedigt fühlen lassen. Wir schütten
Adrenalin aus, wenn wir Angst haben, wenn wir uns (negativ) beobachtet
fühlen, wenn wir frieren. Wenn wir Adrenalin ausschütten, sind
wir nicht mehr in der Lage, Oxytocin zu sekretieren (Odent, 2008). Manche
werden Oxytocin als „Liebeshormon“ kennen. Es wird aber nicht
nur beim Orgasmus, bei der Geburt und beim Stillen ausgeschüttet,
sondern überall da, wo menschliche Interaktion mit einem wohligen
Gefühl einhergeht. Es ist eins der Hormone im Aftercare und sorgt
für Bindung. Man kann sich vorstellen, dass es wenig Forschung zu
den Effekten von Bondage als solches in den medizinischen Datenbanken
gibt. Aber es gibt Forschung zu den Effekten, die andere Formen von Berührungen
auf den Körper und auf die Psyche haben. Von diesen Ergebnissen kann
man gut abstrahieren.
Umarmungen lösen eine Reihe von physiologischen Reaktionen aus, die
zur Freisetzung von Oxytocin führen. Wenn man umarmt (oder geseilt)
wird, werden spezialisierte Nervenzellen, sogenannte C-taktile Nervenzellen,
durch die Berührung und den Druck aktiviert. Diese Nervenzellen leiten
die Signale an das Gehirn weiter. Der Hypothalamus, eine Region im Gehirn,
die für die Steuerung der Hormonausschüttung zuständig
ist, erhält die Signale und reagiert darauf, indem er Oxytocin produziert.
Das produzierte Oxytocin wird dann in den Blutkreislauf abgegeben und
wirkt auf Rezeptoren in den verschiedenen Stellen im Körper und führt
zu Förderung von Vertrauen, der Reduktion von Stress und der Stärkung
sozialer Bindungen. Dieser Prozess hilft, das Gefühl von Wohlbefinden
und emotionaler Verbundenheit zu verstärken, das wir oft mit Umarmungen
assoziieren (Ocklenburg, 2024). Oxytocin sorgt daneben auch für die
Freisetzung von Dopamin, es reduziert Stress, Angst und Schmerzempfindungen.
Die Freisetzung von Dopamin zusätzlich zum Oxytocin in das Belohnungssystem
des Gehirns bewirkt, dass die Handlung noch einmal mehr als positiv oder
belohnend empfunden wird. Der orbitofrontale Kortex der Großhirnrinde
ist für die Verarbeitung von „Berührungsinformationen“
des Körpers von Bedeutung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
diese taktilen Informationen eine emotionale Bedeutung haben. Bedeutsame
Berührungen führen zu einer stärkeren Aktivierung dieses
Hirnareals als eine gefühlsneutrale Berührung.
Das Aufgehängt-Sein im Seil – die Suspension – wird,
im Vergleich zum Floorwork, oft als intensiver beschrieben, sowohl physisch
als auch psychisch. Wenn die Seile das Gewicht des Körpers in einer
vollständigen oder teilweisen Aufhängung tragen, kann die Schmerzreaktion
aufgrund des erhöhten Drucks deutlich höher sein, die Angst
kann verstärkt werden – was tatsächlich zu einem stärkeren
Gefühl von Intimität führen kann, indem die Erregung im
Gehirn fälschlicherweise der Beziehung zugeschrieben wird und nicht
dem tatsächlichen Risiko; und es kann ein Gefühl der Orientierungslosigkeit
und Trance entstehen, weil die üblichen Orientierungshilfen, auf
die wir uns verlassen, wenn wir fest auf dem Boden stehen, nicht vorhanden
sind - oder nur in verzerrter Form. Natürlich können manche
Teil- oder Vollsuspensions individuell unglaublich angenehm sein, und
sich manche Bodenarbeit intensiv anfühlen, es gibt keine feste Regel
dafür, welche Reaktionen in welchem Setting genau zu erwarten sind
(Vane, 2017).
Der Schmerz signalisiert dem Körper hormonell eine erhöhte Aufmerksamkeit,
der Sympathicus wird aktiviert: Fight or Flight. Der Herzschlag wird schneller,
die Atmung tiefer, die Sauerstoffversorgung besser. Schmerzreize sorgen
für die Ausschüttung von Katecholaminen und Adrenalin, der Körper
reagiert mit einer paradoxen Oxytocinausschüttung aufgrund der Reizung
der druckempfindlichen c-taktilen Nervenzellen, die Endorphine mitzieht.
Im Rhythmus der Anstrengung, des Schmerzes sorgen körpereigene Opiate
dafür, dass die Schmerzreize schwächer wahrgenommen werden.
Die Schmerztoleranz und die Toleranz für körperliche Anstrengung
steigt. (Schmid, 2008) Was auch nachweisbar ist, ist die Steigerung der
Aktivität in Hirnbereichen, die für das emotionale Gedächtnis
(Hippocampus) und für das Erkennen von Emotionen (Amygdala) zuständig
sind und auch bei Hirnregionen, die für die Verarbeitung von Belohnung
und Strafen eine Rolle spielen (z.B. der Nucleus accumbens). Diese Aktivitätssteigerung
hat den Nebeneffekt, dass die Hormone, die belohnend wirken, mit ausgeschüttet
werden – ähnlich wie beim Runner’s High (Vane, 2017).
Allgemein gilt: Die schwierigsten Fragen, mit denen sich die Lust- und
Glücksforschung heute konfrontiert sieht, sind nach wie vor die Art
des subjektiven Erlebens und das Verhältnis zwischen Lust und kognitiven
Bewertungen von Sinn und Lebenszufriedenheit. Obwohl in der Forschung
einige Fortschritte beim Verständnis dieser Unterscheidungen gemacht
wurden, ist es wichtig, nicht zu viel in sie hinein zu interpretieren.
Die Vorstellung, dass ein Hotspot oder eine Kodierungsspitze im Gehirn
Freude oder Glück vermittelt, kann nur allzu leicht in Phrenologie
umschlagen (anatomische Strukturen einer Charaktereigenschaft zuzuordnen),
wenn sie allzu wörtlich genommen wird. Eine uneingeschränkte
Chemo-Phrenologie birgt die gleiche Gefahr (Kringelbach & Berridge,
2009). Die Funktion des Gehirns ist weniger konstant, als die griffigen
anatomischen oder chemischen Bezeichnungen vermuten lassen. Der Begriff
„hedonischer Hotspot“ bezeichnet eine besondere Fähigkeit
eines Ortes, unter den richtigen Umständen Vergnügen auszulösen,
aber nicht, dass das Areal dies immer und auschließlich tut. Der
Hotspot des Nucleus accumbens beispielsweise verursacht Lust, wenn er
mit Opioid- oder Cannabinoid-Neurotransmittersignalen stimuliert wird,
aber der gleiche Hotspot verstärkt nur das „Wollen“,
nicht aber das „Mögen“, wenn er durch Dopamin stimuliert
wird (bei Suchterkrankungen greift dieses Phänomen). Ebenso sind
Opioide keine neurochemische Garantie für Vergnügen, außer
im Hotspot. Bei bestimmten Wechselwirkungen zwischen Ort und Signal kann
eine Verschiebung des psychologischen Kontexts die von einem Hotspot erzeugte
Bewertung „umstimmen“ und die psychologischen Folgen von Lust
auf Angst umkehren. Es ist komplex. Dies ist ein weiterer Grund zur Vorsicht
gegenüber allzu einfachen Gleichungen zwischen Neurobiologie und
Psychologie, die zu einem Mythos verschmelzen, wie z. B. Opioid = Vergnügen,
Dopamin = Glück, Serotoninmangel = Depression, Oxytocin = Liebe,
Nucleus accumbens = Belohnung oder Amygdala = Angst. (Kringelbach &
Berridge, 2009)
Shibari, Bondage ist eine immer neue Reise zweier Menschen in eine einzigartige
Intimität. Diese Form der Intimität lässt über sich
hinauswachsen, Schmerz und Hilflosigkeit aushalten, Stille im Kopf genießen,
Erregung spüren, Befriedigung wahrnehmen und geben. Seil verbindet.
Seil kann süchtig machen. Seil kann Zufriedenheit geben. Seil kann
Halt geben. Seil schafft eine Intimität, die von beiden Seiten Mut,
Hingabe, Vertrauen, aber auch Verantwortung und Fürsorge füreinander
bedeutet. Der chemische Soundtrack dazu kommt einem guten Orchester gleich
aus uns selbst.
Sturmwolkenblau
Literaturverzeichnis
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