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“Immer wenn ich mit Seilen gefesselt wurde, habe ich mich währenddessen gelangweilt und mich gefragt, wann die Bondage endlich fertig ist und der S/M endlich los geht….” So hatte ich mich in einer früheren Ausgabe der SZ zum Schwerpunkt “Fesselpartner plaudern über ihre Erfahrungen” geäußert. Zu meiner Überraschung schrieb mich der Verleger des Magazins, der bekannte Shibari-Performer und Autor des Bondage-Handbuchs - Matthias Grimme- daraufhin an und schlug mir vor, doch einmal im Rahmen des Bondageprojects mit ihm höchstpersönlich das Vergnügen zu haben. Im ersten Moment fühlte ich mich etwas überfordert. Aber auch geschmeichelt. Ich stimmte zu, mich bei ihm -allerdings erst im kommenden Frühjahr- für ein derartiges Fesselerlebnis einzufinden. Es war mir ein bißchen peinlich, daß ich -Domina Lady Sara, die sich immerhin in gewissen Kreisen auch schon einen Namen gemacht hat- nun in aller Unerfahrenheit dem überlandesweit bekannten “Drachenmann” gegenüber stehen würde. Aber ich war zu neugierig, um mir die Chance aus Scham heraus entgehen zu lassen. Nachmittags ließ ich mich im Frisörsalon Marlies Möller stylen und im Alsterhaus schminken, denn ich hoffte auch auf ein paar Fotos für meine eigene Webseite und da wollte ich natürlich schick aussehen. Da das alles länger als erwartet dauerte, kam ich dann allerdings leider verspätet bei Grimme an. Er bot mir an, anstatt eines gemeinsamen Restaurantbesuchs zwecks Zeitersparnis einfach ein paar Brote bei ihm zu essen. Das war mir sehr angenehm, denn es ist schön, sich mit einem fremden Menschen (ich kannte Grimme bis dato nur von Emails und von einigen größeren Workshops, wo ich “eine von vielen” in der Masse gewesen war, aber hatte noch keinen persönlichen engeren Kontakt mit ihm gehabt) auch in dessen eigenem Zuhause bekannt zu machen: die Atmosphäre einer privaten Wohnung vermittelt auch ein bißchen Heimeligkeit, und ich fühlte mich mit dem schlichten aber stimmigen Einrichtungsstil gleich sehr wohl. Dann holte Grimme einen Fragebogen heraus und fragte mich unter anderem Sachen, die ich nicht erwartet hatte: Ob Klammern und/oder Schläge für mich okay seien? Ob ich Berührungen an den Genitalien zustimme oder nicht? - Puh, ich hatte ja im Vorfeld herausbekommen wollen, ob er “nur fesseln” oder “auch spielen” will und war eigentlich auf “nur fesseln” eingestellt gewesen, also stammelte ich etwas überrumpelt herum, daß ich Männern gegenüber selten sexuell und/oder masochistisch passiv sei (meine diesbezügliche Präferenz ist lesbischer Natur) und nicht so genau wisse, wie ich reagieren würde, wenn er entsprechende Praktiken einbände. Aber ganz ausschließen wollte ich es denn nun auch wieder nicht …. denn auch diesbezüglich reizte mich die “Erfahrung mit dem Meister” eigentlich auch als etwas Besonderes. Ich vereinbarte also mit ihm, daß er es ggf. einfach probieren könne, wie weit er diesbezüglich gehen wolle, daß er sich aber über meine Vorbehalte klar sein müsse und ich ggf. ein Codeword nutzen würde, falls ich mich doch überschätzt hätte. Dann hüpfte ich nochmal unter die Dusche, rasierte störende Körperhaare vom Intimbereich und von den Beinen ab (und schnitt mich prompt mit der scharfen Klinge meines neu im Alterhaus erworbenenen sehr traditionellen Rasierers) und bat den Drachenmann dann um Hilfe beim Anlegen meines Fantastic-Rubber-Korsetts, das ich zwar schon lange besitze, aber nur zu besonderen Gelegenheiten trage….. Ich war ein bißchen aufgeregt, als ich die im japanischen Stil eingerichtete Fessel-Nische seines privaten Schlafzimmers betrat. Die Wände sind entsprechend behangen und die papierne Lampe und die geflochtene Bodenmatte ergänzen den Stil hervorragend, an der Decke befindet sich ein kleiner, einfacher Bondage-Ring. Kein Flaschenzug. Grimme benötigt so etwas nicht, er kommt mit wenigen Utensilien aus. “Setz dich bequem hin” forderte er mich auf, und ich ließ mich mit zur Seite abgewinkelten Beinen auf dem Boden nieder. Mein Fesselmeister nahm mir gegenüber auf dem Boden Platz, die eigenen Beine gegrätscht, entspannt. Dann hatte er plötzlich das erste Seil in der Hand, und in einer beinah zärtlichen Umarmung legte er es um mich. Er fesselte und sah mir dabei in die Augen. Mal war er mir körperlich sehr nah, mal wahrte er eine Distanz - aber nie verließ er seine entspannte Position, mir gegenüber sitzend. Mal rupfte, fast riß, er am Seil und mein Oberkörper schaukelte ihm willenlos (oder willig?) entgegen. Dann wieder sanft. Dann wieder grob. Die Knoten elegant hinter meinem Rücken geschlungen, ohne hinzusehen. Mir stets gegenüber sitzend, immer wieder den Blickkontakt suchend. Und: ich genoß es! Ich langweilte mich nicht! Wenn er an den Seilen kräftig zog und meinen Leib damit bewegte, lenkte, führte, dann entwich mir ein wohliges Seufzen. Anfangs versuchte ich noch, mit dem “logischen Ich” mitzudenken, was er da wohl gerade täte (und was ich für die eigene aktive Praxis daraus lernen könne), doch dann ließ ich die Ratio zusehends schwinden und gab mich den Gefühlen hin. Zumal er kommentierte, daß er meine Laute der Hingabe mochte. Nach jeder Fesselposition gab es ein kurzes Fotoshooting. Dies geschah schnell, sachlich und pragmatisch zur Dokumentation und keineswegs so aufwändig, wie ich es von meinem Fotografen gewöhnt bin (der sich auch hinterher bitter beschwerte, daß auf einigen Bildern die Zehen abgeschnitten waren oder das Licht miserabel sei) und es war deutlich zu merken, daß Grimme damit etwas anderes bezweckte als ich es bis dato kannte (und mir mit meinem aufwändigen Styling erhofft hatte - im Gegenteil: am folgenden Morgen eröffnete Grimme mir, in abgeschminkt und ungekämmt und weniger schrill sei ich ihm viel sympathischer….) - falls ich jemals eine Bondage-Fotosession primär plane, muß ich das nochmal anders angehen. Dann wird es lästiger mit Lichtaufbau und langen Wartezeiten…. aber für die eigentliche Erfahrung war es so tatsächlich perfekt und ich war über die Intimität froh, die wir zu zweit miteinander genießen konnten. Ohne einen perfektionistischen Fotografen, der die Dynamik des Bondage-Plays gestört hätte. Die zweite Fesselung bereits enthielt eine Seilknebelung, die mich zum “Sabbern” brachte. Schon hier setzte ein leichter Subspace ein, und mein Top machte einen spöttischen Kommentar, als er mir das Bondage-Rope hinterher wieder aus den Mundwinkeln löste. Wir waren nicht im D/S, aber ich spürte das Potential von D/S (sowohl das Potential der Praktik als auch das Potential in mir) deutlicher, als ich es gewohnt bin. Ich war überrascht, positiv überrascht. Und ich glaube, ich begann schon da vorsichtig drüber nachzudenken, ob ich ggf. doch auch den weiteren im Formular abgefragten Praktiken in solch einer Situation etwas abgewinnen könne: daher ist es letztlich schade, daß es dazu dann -zumindest an diesem Abend- nicht mehr kam. Wir sprachen über D/S und S/M, das man in so ein Bondage einbeziehen könne. Grimme erwähnte, daß eine Sub für ihre Orgasmen selbst verantwortlich sei und darum bitten müsse, wenn sie entsprechende Wünsche habe. Noch war ich nicht wirklich überzeugt davon, “so etwas” mit ihm erleben zu wollen. Lust gehabt hätte ich aber total auf Piss Play. Da ich mir dessen sicherer war, sprach ich dieses Thema an. Es wunderte mich nicht, daß ich auf die Flechtmatte nicht pinkeln durfte. Es erfreute (und erregte) mich aber zu hören, daß Grimme grundsätzlich gegenüber Pinkeleien -wenn die Session outdoor erfolgt- offen ist. Ich wunderte mich über meine Hingabebereitschaft. Ein einziges Mal fasste mich Grimme etwas fester an der Brust an, und das ohne die Notwendigkeit oder den Vorwand eines Seils, sondern einfach so. Obwohl ich normalerweise auch nicht auf Brustberührung explizit stehe, war auch das in der Situation absolut stimmig und ein Mehr wäre es vielleicht auch gewesen. Noch war ich mir selbst bzgl. meiner eigenen (mangelnden) passiven Heterosexualität zu unsicher, um das zu verbalisieren. Stattdessen bemühte ich mich, meinen eigenen Geist dafür zu öffnen… ob Grimme das überhaupt bemerkte, weiß ich nicht. Wir redeten, er fesselte, er fotografierte. Zwischendrin gab er Anweisungen, die ich zunächst nicht verstand, z.B. daß ich mich ausbalancieren solle - da wußte ich gar nicht, was er meinte. Erst als er mir im aufrechten Stand zeigte, wie ich in Overhead-Suspension meine Beine anwinkeln solle, konnte ich das dann auch entsprechend reproduzieren. “Du bist schon etwas steif” sagte er zu mir, aber dennoch fand er es auch blöd, daß mir mal vor Jahren ein anderer Bondagemaster gesagt hatte, ich sei untauglich für eine Suspension. “Den muss ich mal zur Rede stellen” sagte er. Ich genoß. Ich ließ mich ein. Ich besänftigte meine immer wieder aufkeimenden, ambivalenten Ängste. Wir hätten ewig weitermachen können. Einerseits. Andererseits merkte ich, daß es an meinen Kräften zehrte. Die ungewohnte Position, die Belastung für den Rücken, das in den Kopf schießende Blut. Ich dachte mir: “Noch eine Stellung. Dann bitte ich um eine kurze Pause.” Aber kaum hatte ich dies gedacht, noch bevor es zu besagter “letzter Stellung” vor der “Pause” kam, war es vorbei. Für mich wie aus heiterem Himmel. Grimme entfesselte mich, setzte sich hin, bedankte sich - und ich war verdattert. Ja, er hatte gesagt, daß er gegen Ende hin hängend fesselt. Aber mir war nicht klar gewesen, welchen Zeitrahmen “Anfang” und “Ende” jeweils einnehmen sollten. Aus meiner Sicht waren wir mittendrin, ich in einem sehr spannenden emotionalen und körperlichen Prozeß…. aus seiner Sicht waren wir fertig. In dem Moment kriegte ich meinen Mund nicht auf, um das zu thematisieren. Nicht, weil ich wirklich zu scheu zum Reden gewesen wäre, sondern weil meine verbal geäußerte Kritik den schwindenden Zauber noch schneller verjagt hätte, als ich es zulassen wollte. Ich wollte die letzten Momente noch auskosten, ohne sie zu zerreden. Das ist sehr ungewöhnlich für mich. Ich hätte mir irgendeine Form von Aftercare gewünscht, aber ich habe mich doch entschieden, daß es ohne Bitte darum gehen muss in der Situation. Ich habe mir aber irgendeine Form der Berührung gewünscht, denn die brach ja auch -für mich plötzlich- ab, einiges hatte sich (überraschend) nah angefühlt und anderes (überraschend) dominant und dennoch beschützend, und nun war ich alleingelassen mit meiner sanften Erregung. Irgendwas hatte er von “Grimme für’s Grobe” gesagt, und diese Formulierung ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Würde ich “Grimme für’s Grobe” wollen? Würde ich “Grimme für’s Grobe” aushalten? Würde Grimme mich für’s “Grobe” überhaupt in Betracht ziehen? Ich streckte wortlos eine Hand aus und berührte seinen Fuß. Rutschte ein kleines Stück näher. Sagte nichts weiter. Wartete ab und nahm hin, daß es für heute nichts Sonstiges gäbe. Mit dem Wechsel in seine Küche wechselte ich auch zu anderen Themen. War nicht bereit, sofort ein Nachgespräch “anzuzetteln”, dass wohlmöglich seinerseits auf völlig anderer emotionaler Ebene abgelaufen wäre als meinerseits. Ging dann zum Schlafen in sein Gästezimmer. Schrieb kurz meiner Liebsten, daß es eine interessante Erfahrung gewesen sei und ich nichts weiter heute dazu schreiben und auch heute abend nicht mehr telefonieren wolle. Mußte die Gefühle sacken lassen. Am nächsten Morgen ein leises Gespräch (in gesenkter Lautstärke - der Drachenmann ließ mich wissen, daß ihm meine “aufgekratzte” Stimm- und Tonlage nicht angenehm sei) und ein leckerer Tee. Dann Abreise. Es war okay, weil ich es selbst insofern stimmig fand, daß in die Begegnung offenbar nicht mehr hineingepaßt hätte. Einen Antrag, ob wir beim nächsten Mal vielleicht doch spielen werden, sofern er auf ein weiteres Miteinander überhaupt Lust hat, habe ich ihm dann hinterher erst per Mail gestellt. Offenbar kommt es infrage. Und ich bin schon wieder aufgeregt und ein wenig ängstlich, ob ich mich nicht übernehme. Aber ich bin auch schon wieder sehr, sehr neugierig….
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