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Letter from Tokyo 12 - Yukimura Haruki – Der Murmler
Brabbelnd ins Reich der Schamröte

Das folgende Interview wurde in der Edel-Residenz von Yukimura Haruki im Tokioter Stadtteil Ebisu geführt. Yukimura Sensei ist nach dem Ableben von Osada Eikichi und Akechi Denki einer der letzten zwei noch aktiven Shibari-Großmeister in Japan.

Osada Steve: Jeder Nawashi hat seinen eigenen Stil, und von allen aktiven Profis ist die Seilarbeit von Yukimura Haruki die für das Auge schönste. Welche Bedeutung hat für Yukimura Sensei die visuelle Attraktivität der Bondage?

Yukimura Haruki: Die Gesamtästhetik spielt für mich eine sehr große Rolle. Hierzu muss ich sagen, dass nahezu alle meine Bondages für die Kamera sind. Allein aus diesem Grunde ist es wichtig, die Frauen in ihrer vollen Schönheit zu zeigen. Das bedeutet gleichzeitig, dass ich der Frau ein gutes Gefühl geben muss. Wenn sie sich in meinem Seil nicht wohl fühlt, leidet darunter das Gesamtbild – egal, wie gut da meine Seilarbeit (im technischen Sinne) ausschauen mag. Der Gesichtsausdruck der Frau ist von oberster Bedeutung. Ich will die Ekstase im Gesicht der Frau sehen.

Das Erwachen
Als junger Bub stieß ich auf ein Bündel versteckter erotischer Bilder aus der Sammlung meines Vaters. Beim Anblick der gefesselten Frauen regte sich ein recht seltsames Gefühl in mir. Als ich Jahre später ins Mannesalter kam, wollte ich immer meine Freundin(nen) fesseln. Erwartungsgemäß hat das nicht immer geklappt. Ich fand es aber trotzdem reizvoll, ihre Reaktionen zu sehen, wenn ich zum Vorspiel mein Seil hervorholte.

Über den Sinn von Shibari
Für mich ist Shibari ein emotionaler Austausch zwischen einem Mann und einer Frau. Das ist etwas, was es wohl nur in Japan in dieser Art gibt – die gegenseitige Liebe über das Medium Seil ausdrücken zu können. Es geht nicht darum, wie man eine bestimmte Bondage im technischen Sinne baut. Ziel und Zweck sind, wie man über die eigentliche Aktion des Fesselns die Gefühle des Partners weckt.

Der Schritt zum Profi
Als junger Mann hatte ich beruflich mit Fotografie zu tun. So etwa Mitte Dreißig konzentrierte ich mich mehr und mehr auf Erotik-Fotos. Ich experimentierte mit verschiedenen Hilfsmitteln, meine Modelle hübscher und begehrenswerter zu machen. Ich wollte aus meinen Modellen einen Ausdruck herausholen, wie es kein anderer Fotograf vermochte. Eine dieser Techniken war das Anlegen von Seil. Nach und nach verbrachte ich mehr Zeit mit Bondage als mit der eigentlichen Fotografie. Und ehe ich mich versah – der Übergang mag etwa ein Jahrzehnt gedauert haben –, fand ich mich als Vollzeitseilkünstler wieder.

Über den Begriff Nawashi
Das ist eine relativ neue Bezeichnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufkam, wahrscheinlich durch einen Journalisten, der für SM-Magazine schrieb. Nawa bedeutet Seil, und Shi ist eine Endung, die für Künstler auf Expertenebene verwendet wird. Es gibt keinen offiziellen Qualifikationsprozess, so dass es keine klare Demarkationslinie zwischen Freizeitseilmeister und Nawashi gibt. Persönlich würde ich die Bezeichnung aber nur für Profis anwenden, für Leute, die von ihrer Seilkunst leben.
Nebenbei bemerkt, Nawashi ist nicht das einzige Wort zur Beschreibung von Seilprofis innerhalb des Shibari-Sys-tems. Ich selbst bezeichne mich mit Vorliebe als Bakushi, wobei Baku das gleiche Schriftzeichen ist, das man auch in Kinbaku (Bondage) findet.

Soll das heißen, dass es außerhalb Japans keine Nawashi gibt?

Weshalb sollte jemand ein japanisches Wort benutzen für etwas, von dem er keine Ahnung hat? Ich würde die Bezeichnung Nawashi jedenfalls nicht für einen Amateur verwenden. Auf keinen Fall für jemanden, der das Shibari-Handwerk nicht jahrelang intensiv in Japan studiert hat.

Neben der Schönheit seines Stils ist Yukimura Haruki für sein ständiges Murmeln berühmt.

Das Murmeln tue ich bereits seit Beginn meiner Laufbahn. Das hat mehrere Gründe. Einmal gibt es der Person hinter der Kamera einen Hinweis darauf, was als nächstes kommt, auf welchen Ausschnitt es zu achten gilt, welche Einstellung zu wählen ist. Wenn ich also zu mir selbst murmele: »Sicherlich stecken da unter der Seide schöne Brüste.«, dann weiß die Crew, was läuft. Gleichzeitig machen meine Kommentare auch das Modell an, das durch das Seil ohnehin bereits erregt ist und mit meinen Sprüchen immer weiter in Richtung Höhepunkt getrieben wird.
Auch kann ich durch mein Gemurmel die Szene in Kontext setzen. »Wieso bist du so spät nach Hause gekommen? Wo hast du dich wieder herumgetrieben? Ich soll dir wohl eine Lehre erteilen?« Das zeigt dem Betrachter, dass dahinter eine emotionale Motivation steckt, ein Grund dafür, dass sie hier gefesselt wird – alldieweil ich dem Mädel die Schamröte ins Gesicht treibe.

Gibt es da eine Arbeit, auf die Yukimura Haruki besonders stolz ist?

Unter all meinen Videos (bisher ca. 2.500 Titel) ist ein Bestseller, den ich Ende der 80er Jahre als Regisseur für Cinemagic gedreht habe. Das war eine Zusammenarbeit mit Minomura Ko, dem Redakteur des berüchtigten SM-Magazins Kitan Club (inzw. eingestellt). Der Kitan Club war ursprünglich eine Naturzeitschrift mit Beiträgen über Eisbären in der Antarktis, Kolibiris im Regenwald usw. Als Minomaru Ko Chefredakteur wurde, hat er daraus ein SM-Heft gemacht. Viele Beiträge kamen von ihm selbst – Artikel, Fotos, Illustrationen. Leser konnten ihre eigenen Ideen und Fetische einsenden, und wenn sie eine gute Feder zeigten, wurden sie von Ko ermutigt, Kolumnen zu schreiben. Ein gutes Beispiel für SM-Autoren, die durch Minomaru Ko ihre ersten Schritte lernten, ist Dan Oniroku, dessen Arbeiten später vielfach verfilmt wurden.

Minomura Ko hat ja auch Shibari betrieben. Wie war denn so seine Seilarbeit?

Minomura benutzte ausschließlich weißes Baumwollseil, und immer nur fünf Stück. Er wählte weiches Seil, denn er wollte die Haut der Frauen nicht verletzen. Er brachte seine Mädels in traditionelle japanische Hotels und fesselte sie dort an Holzpfosten. Während er es sich mit einer Flasche Sake gemütlich machte, würde er liederlich zu ihnen reden, sie fotografieren, zeichnen und seine Eindrücke aufschreiben, um dann alles in der nächsten Ausgabe seinen Lesern zu präsentieren.

In der Oberliga der Seilprofis wird oft davon geredet, dass sich die Seile in des Meisters Hand verselbständigen und somit einzigartige Bondages hervorbringen. Was muss man tun, um diese Liga zu erreichen?

Das ist die Inspiration. Und die kommt von der knisternden sexuellen Spannung, die sich während des Fesselns der Frau aufbaut. Natürlich regen sich in dieser Situation noch zahlreiche andere Verlangen. Statt aber diesen Versuchungen nachzugeben, also die Frau entweder sexuell oder SM-mäßig genussvoll zu vernaschen, lege ich ein weiteres Seil an. Und ein weiteres, und ein weiteres. Nur so kann man erwarten, dass Kunstwerke aus Frau und Seil entstehen.
Um es in diesem Handwerk zu etwas zu bringen, muss man sehr viele unterschiedliche Frauen fesseln, denn jeder Körper, jede Seele trägt zu einer neuen Erfahrung bei, bringt frische Ideen. Schließlich muss jede Bondage, wie simpel sie auch sein mag, je nach Körperbeschaffenheit anders angelegt werden. Eine Frau mit langen Unterarmen z. B. wirkt ausgesprochen attraktiv, wenn ich ihre Hände hinter ihrem Rücken höher fessele als normal. Bei Frauen mit kurzen Armen muss man sich etwas anderes einfallen lassen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Das mag sich für den Laien etwas esoterisch anmuten, aber wenn es um Brüste geht, wird rasch klar, dass es in der Oberkörperregion himmelweite Unterschiede gibt – die man aber alle mit etwas Fingerspitzengefühl (seil)meistern kann.
In letzter Zeit sind meine Bondages in Videos weniger kompliziert als noch vor wenigen Jahren. Stattdessen konzentriere ich mich mehr auf die Dramaturgie, versuche Spannung und Knistern durch gelungenes Timing und andere Methoden zu erzeugen.
Bei Foto-Shoots hingegen, insbesondere wenn der Fotograf einen speziellen Körperteil zeigen will, ohne dass es auf den Gesichtsausdruck des Modells ankommt, lasse ich mir wesentlich mehr Zeit, und da kommen regelmäßig recht komplizierte Bondages bei raus. In solch einem Fall arbeite ich sozusagen nicht mit der ganzen Frau, sondern mit gewissen Körperteilen. Das Resultat sind dann so genannte Objet d’Art.

Tausende Frauen hat Yukimura Haruki bereits ins Reich der Schamröte gemurmelt. Gibt es da nicht Situationen, wo Amor mitten ins Herz trifft?

Ich hatte einige wenige Beziehungen mit submissiven Frauen, die jeweils länger als ein Jahr anhielten. Ich finde diese Art von Beziehung aber sehr erschöpfend. Der Umgang mit dem Seil ist meine Arbeit. Da ist es besser, wenn ich jedes neue Mädel als meine Geliebte betrachte – für eine Affäre, die nur wenige Stunden andauert. Auf diese Weise kann ich mein volles Herz in die Arbeit stecken. Wenn ich nicht mein Bestes gebe, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn das Modell nur halbherzig bei der Sache ist.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Situationen wie Eifersucht gegeben. Ich habe mich in Mädels verliebt, und Mädels sich in mich. Über die Jahre hat sich das aber gelegt, und ich habe einen Weg gefunden, eine gewisse Distanz zu bewahren.
Osada Steve

Mehr Info und Fotos zum Thema Osada und andere japanische Meister und Dominas gibt es unter http://www.fetishjapan.com.


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