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Letter from Tokyo 13 - Akechi Denki
Osada Steve: Japan-Bondage – Shibari – findet in Europa und den USA eine wachsende Anhängerschaft. Shibari verdrängt langsam, aber sicher die bisher im Westen vorherrschende Fesselspielart, die ich einmal kurz als Schlafzimmer-Bondage umschreiben möchte – der Partner wird durch relativ einfache Seiltechnik in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, und dann geht’s los mit SM- oder sexuellem Spiel. Japan-Bondage sieht da etwas anders – speziell auch eleganter – aus. Wie definiert Akechi Denki Shibari? Was bedeutet Shibari für Akechi Denki? Akechi Denki: Shibari ist eine besondere Art des Liebesspiels.
Das Seil dient der liebevollen Umarmung des Partners, ähnlich der
Umarmung eines Kindes durch die Mutter. Die Person, die gefesselt wird,
kann sich fallen lassen, sie hat dem aktiven Partner ihr gesamtes Vertrauen
geschenkt. Die meisten Seilkünstler tragen nun aber Sonnenbrillen, speziell bei Auftritten. Wenn dem Modell der Augenkontakt verwehrt bleibt, wie kann der Meister dann ihren Zustand einschätzen? Die Kommunikation erfolgt nicht mit Worten oder Augenkontakt. Man legt seine Arme um sein Mädchen, kuschelt sie zärtlich, fühlt ihre Haut oder schaut, wie sie reagiert. Also Vollkontakt-Feedback. Es kann eine sehr angstvolle Erfahrung sein, gefesselt und seiner Freiheit beraubt zu werden. Es ist deshalb wichtig, der gefesselten Person ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, ihr ein gutes Gefühl zu geben. Was hat es mit der Bezeichnung Nawashi auf sich? Viele Seilliebhaber außerhalb Japans mögen glauben, dass es eine Art Qualifikationsprozess gäbe, bevor jemand den »Titel« Nawashi tragen darf. Wie ist diese Bezeichnung entstanden? Das Wort Nawashi ist nicht Bestandteil des alltäglichen Vokabulars und wurde erst in den 50er oder 60er Jahren in der SM-Szene geprägt. Als ich begann, Auftritte zu geben, unterschied man lediglich zwischen dem Sado und dem Maso. Damals war die SM-Welt auch noch wesentlich kleiner, und SM-Partner lebten und bewerteten ihre Beziehungen weit intensiver und höher als heute. Der »Sado« war der Meister, und die »Maso« war die willige Sklavin. Der Meister konnte seine Sklavin zu sich rufen, um seine Zigarette in ihrer Hand auszudrücken. Das war innerhalb einer solchen Beziehung völlig akzeptabel. Das Verständnis war solchermaßen, dass die Sklavin ihrem Meister mit ihrem Leben zur Verfügung stand. Erst später kamen dann mehr individualisierte Begriffe auf. Das Wort Nawashi – zusammengesetzt aus Nawa (Seil) und Shi (Experte) – wurde dann mehr und mehr für Seilprofis verwendet, die ihr Brot mit Bondage verdienten. Wie kam es dazu, dass Akechi Denki ein Nawashi wurde? Leute wie ich, die alte Generation, haben bereits als
Teenager angefangen. Wir haben einschlägige Bildbände und
Magazine wie »Kitan Club« verschlungen, und haben versucht,
die Bondages, die damals noch wesentlich simpler waren, nachzubauen.
Und wir haben regelmäßig geübt. Nicht nur Seilbondage,
sondern alles, was man für eine SM-Performance braucht. Ich hatte
z. B. eine fünf bis sechs Meter lange Peitsche aus Amerika –
so eine richtige Cowboy-Peitsche. Mit der habe ich stundenlang geübt.
Erst im Wald, dann auf beschränktem Raum. So lange, bis ich ausreichend
sicher war, zielgenau zu arbeiten. Unsere Erfahrung ist das Resultat
harten Trainings. Wann genau war das? Da war ich 16 oder 17. Ich kann mich deshalb genau erinnern, weil man damals erst mit 18 in die Kissaten (Cafés) rein durfte. Mein erstes Mädchen war Serviererin in solch einem Café. Und bei unserem ersten Mal gingen wir in eine Art Love Hotel. Ich trug damals immer ein Sarashi (ein mehrere Meter langes Baumwolltuch) um meinen Leib. Damit habe ich sie dann gefesselt. Dank dieses Sarashi war ich sozusagen stets für eine Bondage vorbereitet. Also ein sehr nützliches Kleidungsstück. Ohne Zweifel. Aber nicht nur zum Fesseln. Es hält den Unterleib warm und gleichzeitig bietet es Schutz bei Messerkämpfen, indem es die Klinge zu einem gewissen Grade ablenkt oder stoppt. Und wenn du trotzdem ein Messer reinbekommst, hilft das eng gewickelte Tuch, die Blutung zu stoppen. Ich trug das Sarashi viele Jahre, als ich noch auf Baustellen arbeitete. Da gab es oft Prügeleien. Ich hatte bis an die 100 Leute unter mir. Da ich aber nicht so stark gebaut bin, hatte ich immer ein paar Getreue um mich herum. Und meinen Sarashi um den Bauch. Ist Akechi Denki Autodidakt oder gab es da einen Bondage-Lehrer? Ich hatte niemanden, der mich etwas gelehrt hätte. Alles, was ich heute kann, habe ich mir selbst angeeignet. Ich war aber mit vielen SM-Leuten aus der Hochzeit des »Kitan Club«-Magazins befreundet, wie z. B. Tsujimura Takashi und Yamamoto Issho. Diese lebten zwar in Osaka, aber wenn wir zusammenkamen, haben wir immer gemeinsam geübt und uns gegenseitig unsere Frauen ausgeliehen. Wie ist das mit Ito Seiyu [1882-1961]? Haben seine Fotos und Zeichnungen von Frauen in Bondage einen Einfluss ausgeübt? Nicht so sehr. Natürlich habe ich Ito Seiyus Bücher gekauft. Aber ich achte ihn mehr für seine Kunst als für mich persönlich als Inspiration für meine eigene Arbeit. Was hat es mit Hojojutsu auf sich, der alten Kampfkunst, die sich des Seils bedient und zahlreiche komplizierte Fesselungstechniken hervorgebracht hat? Aufgrund meines Interesses an Shibari habe ich lange Zeit
Bibliotheken durchforstet, um so viel wie möglich über das
Seil als Waffe herauszufinden. Ich habe alte Diagramme von Fesselungen
mit großer Akribie studiert und so einige gute Techniken erlernt.
Ich habe diese dann für meine eigene Arbeit neu arrangiert. Die
noch heute überlebenden Hojojutsu-Dynastien hüten ihre Techniken
sehr und schützen sie vor den Zugriffen der Außenwelt. Ich
glaube nicht, dass diese Kampfkunstspezialisten es gut fänden,
ihre Techniken in SM-Heften wiederzufinden. Es ist mir eine große Ehre, dass ich in teilweise geheime, auf alle Fälle aber der Öffentlichkeit nicht zugängliche Techniken eingewiesen wurde. Dies hat vom Meister eine sehr große Geduld erfordert. Meine oft lachhaften Lernschritte stießen nie auf Kritik, sondern ernteten stets Lob. Diese Liebe und Geduld sind es wohl auch, dass Akechi Denki in der Shibari-Welt ein so großes Ansehen genießt und mit dem höchsten Respekt belohnt wird. Ich kann mich halt daran erinnern, wie ich damals selbst noch experimentiert und versucht habe, meinen eigenen Stil zu finden. Eine letzte Frage: Es gibt sehr wenige Seilprofis, und jeder hat seinen eigenen Stil. Akechi Denkis Stil ist hoch kompliziert, aber gleichzeitig sehr ästhetisch. Wie hat sich das ergeben? Für mich ist es wichtig, dass die Seilarbeit gut ausschaut. Mein Stil hat sich auf der Bühne entwickelt, zu einer Zeit, als es noch keine Videos gab. Mein Antrieb war es, den Zuschauern etwas zu zeigen, was sie niemals zuvor gesehen hatten. Also war ich gezwungen, selbst neue Wege zu finden. Prinzipiell versuche ich, niemals die gleiche Bondage zweimal zu machen. In der Praxis ist das nicht immer möglich, aber in meinem Kopf versuche ich stets etwas Neues. Bis auf den heutigen Tag unterliegt mein Stil deshalb ständigen Veränderungen, entwickelt sich sozusagen weiter. Wenn ich auf die Bühne trete, habe ich keinerlei
Plan. Erst wenn ich das erste Seil in die Hand nehme, kommen mir die
Ideen; oft inspiriert durch die jeweilige Partnerin. Manchmal entwickelt
das Seil sein eigenes Leben, und meine Hände folgen. Wenn das passiert,
ist alles wie ein Traum. In solchen Fällen wird die Bondage ein
unvergessliches Erlebnis. Für mich, für meinen Partner und
für alle, die zuschauen. Auf Ropemarks.com gibt es eine Memoriam-Seite mit Galerie! Mehr Info und Fotos zum Thema Osada und andere japanische Meister und Dominas gibt es unter http://www.fetishjapan.com.
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